Christina Gehm vom Parkhotel Rügen (Parkhotel Rügen)

Ein Gespräch mit Christina Gehm, stellvertretende Direktorin des Parkhotels Rügen auf Deutschlands größter Urlaubsinsel, über die Entwicklung der Hotellerie nach 18 Monaten Corona-Krise

Monatelang waren Hoteltüren für Urlauber geschlossen und eine ganze Branche kämpfte im Schatten der Corona-Pandemie ums Existieren. Heute können Gäste auch ohne triftigen Reisegrund wieder empfangen werden, doch der Alltag ist noch lange nicht zurück. Tests bei der Ankunft, umfassende Hygienekonzepte, detaillierte Dokumentationen und Prozessanpassungen gehören zur neuen Normalität in Beherbergungsbetrieben. Wie hat sich der Hotelalltag verändert? Und: Hat die zurückliegende Sommersaison die wirtschaftliche Lage des Rückgrats der Tourismuswirtschaft stabilisiert? Ein Gespräch mit Christina Gehm, stellvertretende Direktorin des privat geführten Parkhotels Rügen in einer der beliebtesten Urlaubsregionen Deutschlands.

Wenn Sie heute in Ihre Belegungspläne blicken, was stellen Sie im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit fest?

Auf den ersten Blick sehe ich glücklicherweise nur geringfügige Veränderungen. Einer Auslastung von 92 Prozent im Juli 2021 stehen 94 Prozent im Juli 2019 entgegen. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich ein drastischer Wandel. Das Gästeklientel hat sich komplett gedreht. Mit heute 14 Busankünften im Monat, die für das bettenstarke Parkhotel Rügen immer von großer Bedeutung waren, zählen wir nur einen Bruchteil von Gruppenreisenden der Vorjahre. Alleine in einem durchschnittlichen Sommermonat vor zwei Jahren haben wir Gäste aus rund 50 Reisebussen willkommen geheißen. Die jedoch gleichbleibende Auslastung macht deutlich, dass es in diesem Sommer vor allem individuelle Gäste waren, die anreisten.

Positiv zu erwähnen ist, dass sich die Aufenthaltsdauer erhöht hat. Waren es im Juli 2019 2,25 Tage pro Gast, entfallen im Vergleichsmonat 2021 2,98 Tage auf jeden Urlauber. Insgesamt können wir damit durchaus zufrieden sein.

Die Zahlen zeichnen heute ein erfreuliches Bild. Doch lange Zeit hat auch das Parkhotel Rügen mit Sorgen in die Zukunft geblickt. Wie haben Sie die herausfordernde Zeit wirtschaftlich überstehen können und erlebt?

Wie viele andere touristische Betriebe mussten auch wir nahezu alle Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Meine Kollegen aus den administrativen Bereichen konnten teilweise im Homeoffice arbeiten, eine Basisbelegschaft war im Hotel präsent, um Geschäftsreisende zu empfangen und zu versorgen. Als zentral gelegenes Hotel auf der Insel Rügen waren wir schließlich nicht nur ein Anlaufpunkt für Urlaubsreisende, sondern auch seit Jahren bei Geschäftsreisenden beliebt. Trotz der überschaubaren Belegung hatten einige Mitarbeiter allerdings auch normal im Haus zu tun. Haustechniker waren mit den üblichen Instandhaltungen beschäftigt, das Telefon in der Reservierung blieb besetzt und die Rezeption war ständig erreichbar. Renovierungen und Schönheitsreparaturen wurden im gesamten Hotel durchgeführt.

Zu den größten Problemen der vergangenen Tage gehörten die Ungewissheit und fehlende Planungssicherheit. Doch nicht nur wirtschaftlich war die Zeit herausfordernd. Auch die Arbeitsabläufe mussten neu gedacht und unter neuen Voraussetzungen geplant werden. Wöchentlich gab es ein Meeting aller Abteilungsleiter im luftigen Atrium des Hauses, um den Kontakt aufrecht zu halten. Es war und ist sehr herausfordernd, sich die ständig neuen Vorschriften und Gesetze zu erlesen, zu kommunizieren und schließlich umzusetzen. Ein Azubi der Küche und ein Azubi des Service hatten an diesen Meeting-Tagen die Aufgabe, für die Abteilungsleiter zu kochen und zu servieren. Es entstanden daraus kleine Rollenspiele und im Anschluss gab es „Manöverkritik“.

Sie sprechen Ihre Azubis an – regelmäßig bilden Sie im Parkhotel Rügen sowohl Hotel- als auch Restaurantfachkräfte sowie Köche aus. Wie haben Auszubildende, aber auch Ihre festangestellten Mitarbeiter die Situation erlebt?

Von Seiten der Direktion wurde von Anfang an klar gesagt, dass es keine Kündigungen geben wird. Dennoch haben zwei Service-Mitarbeiter selbst gekündigt, was menschlich, aber auch angesichts der allgemeinen Personalknappheit in der Tourismusbranche sehr bedauerlich war.

In der schwierigsten Phase der Pandemie, als so gar keiner wusste, wann und wie es weitergeht, war ein Zusammenhalt spürbar. Jeder wollte unbedingt wieder arbeiten, es wurden Pläne geschmiedet, wie bestimmte Bereiche umgestaltet werden können, etwa die Terrasse oder die Liegewiese im Hotelgarten.

Der Start von Null auf Hundert war für alle eine Erleichterung, endlich ging es wieder los. Aktuell ist allerdings teils eine Überforderung mit der Situation und dem ausgebuchten Hotel zu bemerken. Die hohe Arbeitslast geht schlichtweg zu Lasten der Motivation und Kraft unserer Mitarbeiter.

Hat die Corona-Krise Ihre Strategie verändert oder Prozesse angestoßen, die ohne die Corona-Krise vielleicht erst viele Jahre später umgesetzt worden wären?

Definitiv. Die Digitalisierungsmaßnahmen, mit denen wir uns zwar auch vorher schon beschäftigt hatten, wurden nun dringlicher. Das beginnt beim Online-Check-in und reicht über das digitale Ausfüllen des Meldescheines, eine virtuelle Gästemappe bis zur kontaktlosen Bezahlung, die speziell von Geschäftsleuten genutzt wird. Weitere Förderanträge für digitale Optimierungen haben wir bereits beantragt.

Auch im Zimmerservice gab es Veränderungen. Bereits kurz vor der Corona-Krise hatten wir eingeführt, dass Gäste selbst entscheiden konnten, ob und wann die Zimmer gereinigt werden sollen. Das funktionierte reibungslos und wurde allgemein akzeptiert und unterstützt. In der Pandemie sind wir noch einen Schritt weiter gegangen und versuchen seither so selten wie möglich in die Zimmer zu gehen. Wann immer es organisatorisch machbar war, blieben Abreisezimmer im Winter 2020/2021 bis zu drei Nächte ungenutzt, bevor die Reinigung stattfand. Das ist jetzt bei einem ausgebuchten Hotel natürlich nicht mehr möglich.

Eine gute Auslastung im Sommer 2021, andere Gäste, neue Abläufe. Wie schätzen Sie die derzeitige Situation für Hoteliers ein – insbesondere auf einer Urlaubsinsel wie Rügen?

Insgesamt lässt sich feststellen, dass – nicht nur in unserem Haus – die Gästezufriedenheit stark schwankt. Ein direkter Zusammenhang mit der Corona-Krise und entsprechenden Regeln ist zwar nicht dokumentiert, liegt allerdings auf der Hand. So stellen wir gerade bei den Hygieneregeln bei einigen Gästen eine sinkende Akzeptanz fest. Auseinandersetzungen wegen der Maskenpflicht sind schon fast an der Tagesordnung. Einerseits möchten Urlaubswillige buchen und reisen, sind aber nicht immer in vollem Maße mit den Einschränkungen vor Ort einverstanden. Wer möchte sich schon vorschreiben lassen, zu welcher Uhrzeit er zum Essen kommen darf? Hier fehlt oft die Einsicht und das Verständnis, dass der Hotelurlaub nicht mehr so ablaufen kann wie gewohnt.

Aktuell stehen wir vor der Herausforderung der Silvesterbuchungen, die uns traditionell ein volles Haus bescherten. Gerade die Stammgäste erwarten einen Silvesterabend wie immer, mit Musik und Tanz und geselligem Zusammensein. Aber das alles wird so nicht angeboten werden können. Werden trotzdem Gäste kommen? Werden andere Gäste kommen, die den Fokus auf einen ruhigen Jahreswechsel legen? Hier kann man noch keine Tendenz erkennen.

Ein Blick in die Zukunft: Wie sieht der Hotelalltag im Parkhotel Rügen in drei Jahren aus?

Es ist schön, dass Deutschlandreisen wieder ins Bewusstsein gerückt sind. Es gibt so viele schöne Regionen zu entdecken, auch direkt vor der Haustür. Natürlich wünschen wir uns, dass dieser Trend anhält. Wer es geschafft hat, die Gäste jetzt für sein Hotel zu begeistern, der kann sicher davon ausgehen, dass diese Gäste wiederkommen.

Wir haben gelernt Online-Meetings abzuhalten und Seminare, Workshops und Schulungen am eigenen Schreibtisch zu haben. Das alles funktioniert gut, ohne zu weiten Dienstreisen aufbrechen zu müssen. Aber es fehlt das zwischenmenschliche, das Gespräch in der Kaffeepause und das Lächeln. Ein Computer lächelt mich nicht an, meine Kollegen schon.

Meiner Meinung nach wird es keine „Nach-Corona-Zeit“ geben, sondern eine Zukunft, in der sich alle mit anderen Herausforderungen als bisher arrangieren müssen. Aber Menschen vergessen schnell und wollen zur Normalität zurück. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass die neue Normalität anhält, jedoch mit ein wenig mehr sozialem Miteinander und menschlicher Nähe – sowohl im privaten Umfeld als auch im Hotelwesen.

Weitere Informationen über das Parkhotel Rügen unter www.parkhotel-ruegen.de